Dienstag, 6. November 2012

Wie er auszog und keine 1000 Dollar gewann...

Und wieder ist eine Woche rum. Die Zeit vergeht hier echt viel zu schnell, was aber wohl daran liegt, dass immer soviel passiert und man so immens viel zu tun hat. Aber der Reihe nach:
Das WG-Leben bei uns gestaltet sich immer amüsanter. Der Einfluss der sieben Deutschen auf die drei Inder ist absolut spürbar. Wir haben es uns mit der Zeit nicht nehmen lassen, den Herren dann auch entsprechend deutsches Vokabular aus dem filmischen Meisterwerk „Voll Normaal“ beizubringen. Gerade die kurzen Satzendungen erfreuen sich bei den Indern besonderer Beliebtheit, sodass sich eine übliche Frage von Ihnen in etwa so anhört: „Do you want to play some poker, oder wat?“ In diesen Momenten spüre ich schon einen gewissen Stolz meinen Mitmenschen ein wenig Deutsche Kultur näherzubringen. Auch in Streitsituation agieren unsere Inder mittlerweile sehr souverän, wenn sie von jemandem angesprochen werden, mit dem sie gerade nicht reden wollen, reicht von Ihnen meist ein beherztes „Kusch.“ – und jeder weiß was gemeint ist. Momentan bringe ich Ritesh das legendäre Zitat „Ein Wort – und du bist tot!“ von Voll Normaal Legende Jupp bei, aber dafür werden wir wohl noch ein paar Tage und ein wenig Alkohol brauchen, um es in kölschem Akzent hinzukriegen.

Auch ein Pendant zu Karneval ließ sich diese Woche finden: Halloween. Das ist hierzulande echt ne riesen Sache und echt jeder hatte sich verkleidet. Unsere Uni hatte für uns Privaträume im Avalon gemietet und somit stand einer geilen Party nichts mehr im Weg. Dumm nur, dass wir nur 5 Minuten im Avalon waren, bevor dann ein Großbrand unseren weiteren Aufenthalt verhinderte und wir vollkommen geordnet aus dem Club rausgeführt wurden. So komplikationslos laufen Dinge echt nur in Singapur…

Neben den Indern versuche aber auch ich mich zunehmend mit der Kultur hier zu arrangieren. Mein Bild, das ich vor der Reise von den Asiaten (Besonders Chinesen) hatte, war das eines sehr strebsamen, fleißigen und überintelligentem Volk. Ich hatte vor der Reise ein wenig Angst mich mit all den (sorry für den Ausdruck) Mathefreaks aus Asien messen zu müssen, aber so langsam wandelt sich mein Bild. Und jetzt wo ich im Nachhinein so darüber nachdenken, war es auch ziemlich naiv anzunehmen, das Asiate = Asiate ist. Wir wären ja zum Beispiel auch empört, wenn jemand die Gleichung Europäer = Europäer aufstellen würde. Was ich damit sagen will, es herrschen extreme Unterschiede zwischen all den asiatiaschen Völkern.
Menschen aus Singapur sind enorm relaxt, locker und sprechen ein für uns verständliches Singlisch (eine Mischung aus Chinesisch und Englisch). Eine Sache über mich habe ich jedoch bei dem Zusammentreffen unserer Kulturen gelernt. Ich merke jeden Tag wie ungeduldig ich bin. Wenn wir in Deutschland von A nach B wollen, dann schlendern wir nicht, wir gehen! Hier in Singapur scheint es hingegen ein Volkssport zu sein, den Nebenmann im langsam vor sich hinschlurfen zu übertrumpfen. Zudem haben hier viele Leute ein hartes Talent dafür, absolut im Weg zu stehen und an den unmöglichsten Stellen anzuhalten. Nicht selten, habe ich mich dabei ertappt wie ich anfing über Grasflächen oder Seitenwege zu gehen, nur um zu vermeiden, dass so eine müde und langsame Truppe vor mir herwatschelt.

Eine weitere Lösung gegen das Gedrängel, die zur allgemeinen Belustigung beitrug und inzwischen zum Insider geworden ist, ist der Schwert-Regenschirm. Aufgrund des vielen Regens in Singapur musste ich mir zwischenzeitlich in China-Town einen Regenschirm kaufen. Inmitten der Läden fiel mir dann ein Regenschirm auf, dessen Griff genau so aussah wie ein Samurai-Schwert – und der über eine Schlaufe verfügte, mit der man sich das „Schwert“ auf den Rücken schnallen konnte. Unsere Gruppe hatte Tränen in den Augen (vor Lachen) als ich dann beschloss 7€ für diesen Schirm zu investieren und damit durch China-Town wanderte. Es ist verblüffend, wie schnell die ganzen Asiaten einem doch aus dem Weg gehen können, wenn sie nur wollen. Eine absolute effiziente Lösung um immer sofort Platz auf Rolltreppen oder in der MRT zu haben.

Es sind aber nicht die Leute aus Singapur über die ich mich zur Zeit am meisten wundere, sondern die Chinesen. Jedes Studienfach hier besteht aus einer Vorlesung und einem Tutorium (Kurs mit Übungsaufgaben). Während alle gleichzeitig die Vorlesungen haben, werden die Tutorien in kleine Gruppen aufgeteilt und während ich in 3 Fächern Glück habe und immer mit Spaniern oder Skandinaviern zusammenarbeite, so besteht ein Tutorium von mir nur aus Chinesen. Ich bin der einzige Deutsche und war dementsprechend auch nicht der Publikumsliebling als es darum ging, Gruppen für Präsentationen zu bilden. Präsentationen sind hier ein wichtiger Bestandteil der Endnote und wer hätte es gedacht, meine Präsentationsgruppe besteht aus mir und 2 Chinesen, die bei der Gruppenwahl übrig geblieben sind. Während der eine auf mich einen ganz fitten Eindruck macht (er studiert hier schon im dritten Semester), versteht der andere hingegen kein (!) Wort Englisch. So gut es ging, sprach ich mit ihnen ab, dass wir bis Montag (gestern) alle unseren Teil der Präsentation fertig haben sollen, damit wir den Rest der Woche für das Feintuning nutzen können. Abgesehen von dem Fakt, dass man sofort den Gruppenleiter spielen muss, weil sonst nichts passiert, war ich schockiert, welche Arbeitsqualität mir dann von den beiden präsentiert wurde. Kurzum, ich kann die ganze Präsentation selber machen. Das was ich momentan nicht nur von den beiden, sondern auch von anderen Chinesen mitbekommen habe, ist, dass sie zu Aktionismus neigen (Hauptsache etwas tun) aber Effektivität und hohe Arbeitsqualität oftmals Mangelware sind. Die meisten zocken die ganzen Vorlesungen an ihrem iPad herum, weil sie nur Bruchteile von dem verstehen, was vorne geredet wird. Aber, und das betone ich auch, es gibt andererseits viele, die deutlich mehr machen, als wir Europäer und dem Bild entsprechen, was wohl die meisten Deutschen von den Asiaten haben.

So ging dann auch die Woche vorrüber und am Sonntag stand dann für mich ein besonders Event an. Unsere Uni hat zum ersten Mal das „Amazing Race“ für Singapur organisiert. Hierbei handelt es sich um ein Rennen quer durch die Stadt bei der man verschiedenste Aufgaben bewältigen und über die eigenen Grenzen gehen muss, um das Ziel zu erreichen. Gerade in den USA erfreut sich dies in vielen Städten besonderer Beliebtheit und hier in Singapur wurde es medientechnisch echt aufgebläht à sprich: Eine TV-Produktion aus der ein 40-minütiges Video erstellt wird. Der Preis für das Gewinnerteam (2 Personen-Teams) beträgt 1000Singapur Dollar (640€) und somit habe ich und auch ein paar andere aus unserer Gruppe, uns unverbindlich mit Video beworben. Was ich nicht im Ansatz gedacht hätte, ich wurde genommen und war einer der 10 Finalisten, die das Rennen dann am Sonntag bestreiteten.

Jedes Team wurde mit einem Kameramann, einem Tontechniker und einem Team-Coordinator ausgestattet. Mein zugeloster Partner war Jeppe, ein überaus symphatischer Däne mit dem ich schon zuvor das ein oder andere Bier in Singapur getrunken hatte. Lange Rede kurzer Sinn: Jedes Team hatte 5 verschiedene Aufgaben quer durch Singapur zu lösen, unsere Aufgaben bestanden aus: dem Hochhalten eines Ballähnlichen Federballs, dem Essen 5 warmer Behälter von „Soja-Bohnen-Öl-Creme“,   dem Finden bestimmter Plätze im Botanischen Garten, dem Finden bestimmter Personen in einer Mall, dem Fliegen im größten Windkanal der Welt und natürlich dem rechtzeitigen Erreichen des Ziels. Zwar hatten Jeppe und ich es geschafft, unter der vorgesehenen Zeit im Ziel anzukommen und jede Challenge zu meistern, trotzdem wurde unser Team nur Vierter. Wirklich traurig, war ich darüber aber nicht, denn der Tag war einfach nur überragend und man war froh alles geschafft zu haben. In 2 Wochen wird offizieller Ausstrahlungstermin der Show sein und dann kann sich auch jeder in Deutschland ein Bild von diesem abgefahrenen Tag machen. 

Anbei noch ein paar Bilder der letzten Tage!
Felix, Vishal und Ich an Halloween
Die ganze Meute an Halloween
Die Rückenansicht des letzten Samurais

Jeppe und ich vor dem Amazing Race

Alle Wettbewerber im Ziel

Unser Kamerateam, unsere Koordinatorin Kim, Jeppe und Ich