Montag, 12. November 2012

Der Dozent, die Chinesen und Ich

Heute war es soweit – die erste Prüfung stand an. Und ich muss gestehen, es war eine der nervenaufreibendsten die ich je hatte.

Beim letzten Mal habe ich ja schon erzählt, dass ich eine Präsentation mit zwei Chinesen halten musste, die niemand in der Gruppe haben wollte. Während sich der eine von beiden als Glücksgriff mit passablem Englisch entpuppte (Tony), war jedoch die Verzweiflung um Han unfassbar groß. Ich frage mich immer noch, wie es Han ohne jegliche Englischkenntnisse hierhin geschafft hat. Meine bis dato größte Herausforderung: Wie baut man so jemanden in eine Präsentation ein? Meine ersten Impulsvorschläge – ihm eine Triangel zu geben, die er spielen kann, wenn eine Folie weitergeklickt wird  oder ihn alternativ zum selben Zweck klatschen zu lassen (dann müsste er keine Triangel organisieren), wurden vehement abgelehnt und der Dozent betonte, dass jedes Gruppenmitglied in der Präsentation etwas sagen musste. So weit so gut, dachte ich mir und gab ihm als auch Tony und mir gleich große Inhaltsanteile am Präsentationsthema (Markteintritt von DisneyLand in Hongkong). Generell muss man als Europäer hier das Zepter in die Hand nehmen, weil sonst alles – aus unserer Sicht – so unkoordiniert abläuft. Das Gute daran ist aber auch: Asiaten scheinen sich zu freuen wenn sie jemanden haben, der ihnen sagt was sie zu tun haben und somit werden Anweisungen auch befolgt. Wenige Tage vor der Prüfung erhielt ich dann erwartungsgemäß von Tony passabel ausgearbeitete Folien, die ich nur um paar Punkte ergänzen musste, Han hingegen schickte mir den Text von einer Art chinesischem Wikipedia, den er 1zu1 auf eine Folie kopiert und mit Google Translate übersetzte hatte. Um ehrlich zu sein, selbst damit hatte er schon meine Erwartungen übertroffen und ich hatte mich auch schon damit abgefunden alles selber zu machen. So kam es dann auch, der Tag der Präsentation rückte näher und noch immer stand die Preisfrage im Raum: 

Was macht man mit dem guten Han? 
Letztlich kann ich mir für den daraufhin kommenden Einfall selber auf die Schulter klopfen :D – man lässt ihn das Inhaltsverzeichnis und die Anfangsrede (Hallo Zusammen) auswendig lernen.
Da der Dozent keine Sprachanteile vorgegeben hatte, passte das genau in die Vorgaben und somit habe ich mich am Tag der Präsentation mit Han hingesetzt und mit ihm die Wörter geübt, die er sagen musste. Am Ende war Han stolz wie Oskar, dass er Englisch sprach. Wie das Gesamtergebnis heute war? Ein voller Erfolg! Die Präsentation zu unserem Thema wurde an dem Tag vier Mal gehalten und der Dozent hat eigentlich in der ganzen Bewertungsrunde nur beschrieben, wie genau unsere Gruppe die Vorgaben erfüllt hat. Zudem werden Gruppenarbeiten hier in Singapur mit sogenannten Peer Evaluation Sheets bewertet, auf denen man aufschreiben kann, wer wieviel von der Präsentation gemacht hat und wer einen Bonus auf seine Note bekommt. Hier hab ich mich dann im Einverständnis mit beiden auszahlen lassen. Den beiden Chinesen habe ich aber trotzdem heute den Tag gerettet und beide haben das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekommen. Eine klassische Win-Win-Situation, ich werde wohl meine Punktzahl bekommen, während die beiden dadurch gute Chancen haben, das Modul zu bestehen. Gerade für Han wird das in seinem ersten Jahr hier eine Erleichterung sein J

Lustig war aber vor allem die Reaktion aller Chinesen in unserem Tutorium, während alle grinsten als Han am Anfang das Wort ergriff und kurz davor waren uns auszulachen, merkten alle nach und nach wieviel Arbeit wir uns gemacht hatten um ihn durchzubringen und siehe da – alle haben applaudiert als wir durch waren. Das ist ziemlich ungewöhnlich in Asien und hat mich für meine beiden Chinesen gefreut, die wie gesagt, einen echt tollen Tag hatten.

Generell muss ich aber sagen, dass ich mich immer besser mit den Asiaten arrangiere. Der Schlüssel zum guten Miteinander ist letztlich denkbar einfach – man sollte seine Körpersprache ändern. In den letzten Tagen habe ich gemerkt, wie sehr sich das Völkchen freut, wenn man sie anlächelt und ihnen Aufmerksamkeit schenkt. Es kostet mich zwar immer wieder ein wenig Überwindung nicht in Gedanken zu verfallen wenn ich durch die Uni gehe und alle, die ich kenne zu grüßen wenn sie mir über den Weg laufen, aber das Ganze hat richtig positive Konsequenzen. Selbst meine Dozenten kennen mich schon, freuen sich darüber und sprechen mich persönlich an, wenn sie mich treffen – Jaaaa, ich weiß :D ---aaaaber man kann das ja im Hinblick auf die Examen immer mal gebrauchen ;)

Neben den Eindrücken ging die Woche aber wie üblich vorbei. Sehr viel Unistress, sehr viele abendliche Freizeitaktivitäten und sehr viel asiatische Kochkunst. Ich habe ja schon erwähnt, dass Singapur extrem teuer ist wenns um allgemeine Lebensmittel geht. Das Gute ist aber, dass es überall sogenannte Foodcourts gibt, in denen man für umgerechnet 2-3€ ganze Menüs oder auch Sushi bekommt. Somit geht man eigentlich die ganze Zeit essen und auch mit den Stäbchen mache ich mich so langsam ganz passabel.

Zudem wurde auch der Regenschirm an einem nicht ganz nüchternen Abend modifiziert, sodass ich damit nicht mehr vor die Tür gehen kann – siehe Bild L

Ab Mittwoch geht’s für unsere WG dann erstmal bis Sonntag nach Bali, wo wir andere Austauschstudenten besuchen werden und beim nächsten Eintrag wird es dann auch wieder viele Fotos geben. Versprochen!! J

Der nicht mehr gesellschaftsfähige Schirm
Zwischenzeitlich bei der Vorbereitung der Präsentation...
Das übliche Essen in Singapur - Lecker Black Pepper Beef
Meine übliche Sicht der Dinge - Vorlesungen bei Dr. Lim 
Man muss jetzt auch nicht alles essen...
Kerstin, Vishal und Ich
Vishal, Alina und Ritesh

Dienstag, 6. November 2012

Wie er auszog und keine 1000 Dollar gewann...

Und wieder ist eine Woche rum. Die Zeit vergeht hier echt viel zu schnell, was aber wohl daran liegt, dass immer soviel passiert und man so immens viel zu tun hat. Aber der Reihe nach:
Das WG-Leben bei uns gestaltet sich immer amüsanter. Der Einfluss der sieben Deutschen auf die drei Inder ist absolut spürbar. Wir haben es uns mit der Zeit nicht nehmen lassen, den Herren dann auch entsprechend deutsches Vokabular aus dem filmischen Meisterwerk „Voll Normaal“ beizubringen. Gerade die kurzen Satzendungen erfreuen sich bei den Indern besonderer Beliebtheit, sodass sich eine übliche Frage von Ihnen in etwa so anhört: „Do you want to play some poker, oder wat?“ In diesen Momenten spüre ich schon einen gewissen Stolz meinen Mitmenschen ein wenig Deutsche Kultur näherzubringen. Auch in Streitsituation agieren unsere Inder mittlerweile sehr souverän, wenn sie von jemandem angesprochen werden, mit dem sie gerade nicht reden wollen, reicht von Ihnen meist ein beherztes „Kusch.“ – und jeder weiß was gemeint ist. Momentan bringe ich Ritesh das legendäre Zitat „Ein Wort – und du bist tot!“ von Voll Normaal Legende Jupp bei, aber dafür werden wir wohl noch ein paar Tage und ein wenig Alkohol brauchen, um es in kölschem Akzent hinzukriegen.

Auch ein Pendant zu Karneval ließ sich diese Woche finden: Halloween. Das ist hierzulande echt ne riesen Sache und echt jeder hatte sich verkleidet. Unsere Uni hatte für uns Privaträume im Avalon gemietet und somit stand einer geilen Party nichts mehr im Weg. Dumm nur, dass wir nur 5 Minuten im Avalon waren, bevor dann ein Großbrand unseren weiteren Aufenthalt verhinderte und wir vollkommen geordnet aus dem Club rausgeführt wurden. So komplikationslos laufen Dinge echt nur in Singapur…

Neben den Indern versuche aber auch ich mich zunehmend mit der Kultur hier zu arrangieren. Mein Bild, das ich vor der Reise von den Asiaten (Besonders Chinesen) hatte, war das eines sehr strebsamen, fleißigen und überintelligentem Volk. Ich hatte vor der Reise ein wenig Angst mich mit all den (sorry für den Ausdruck) Mathefreaks aus Asien messen zu müssen, aber so langsam wandelt sich mein Bild. Und jetzt wo ich im Nachhinein so darüber nachdenken, war es auch ziemlich naiv anzunehmen, das Asiate = Asiate ist. Wir wären ja zum Beispiel auch empört, wenn jemand die Gleichung Europäer = Europäer aufstellen würde. Was ich damit sagen will, es herrschen extreme Unterschiede zwischen all den asiatiaschen Völkern.
Menschen aus Singapur sind enorm relaxt, locker und sprechen ein für uns verständliches Singlisch (eine Mischung aus Chinesisch und Englisch). Eine Sache über mich habe ich jedoch bei dem Zusammentreffen unserer Kulturen gelernt. Ich merke jeden Tag wie ungeduldig ich bin. Wenn wir in Deutschland von A nach B wollen, dann schlendern wir nicht, wir gehen! Hier in Singapur scheint es hingegen ein Volkssport zu sein, den Nebenmann im langsam vor sich hinschlurfen zu übertrumpfen. Zudem haben hier viele Leute ein hartes Talent dafür, absolut im Weg zu stehen und an den unmöglichsten Stellen anzuhalten. Nicht selten, habe ich mich dabei ertappt wie ich anfing über Grasflächen oder Seitenwege zu gehen, nur um zu vermeiden, dass so eine müde und langsame Truppe vor mir herwatschelt.

Eine weitere Lösung gegen das Gedrängel, die zur allgemeinen Belustigung beitrug und inzwischen zum Insider geworden ist, ist der Schwert-Regenschirm. Aufgrund des vielen Regens in Singapur musste ich mir zwischenzeitlich in China-Town einen Regenschirm kaufen. Inmitten der Läden fiel mir dann ein Regenschirm auf, dessen Griff genau so aussah wie ein Samurai-Schwert – und der über eine Schlaufe verfügte, mit der man sich das „Schwert“ auf den Rücken schnallen konnte. Unsere Gruppe hatte Tränen in den Augen (vor Lachen) als ich dann beschloss 7€ für diesen Schirm zu investieren und damit durch China-Town wanderte. Es ist verblüffend, wie schnell die ganzen Asiaten einem doch aus dem Weg gehen können, wenn sie nur wollen. Eine absolute effiziente Lösung um immer sofort Platz auf Rolltreppen oder in der MRT zu haben.

Es sind aber nicht die Leute aus Singapur über die ich mich zur Zeit am meisten wundere, sondern die Chinesen. Jedes Studienfach hier besteht aus einer Vorlesung und einem Tutorium (Kurs mit Übungsaufgaben). Während alle gleichzeitig die Vorlesungen haben, werden die Tutorien in kleine Gruppen aufgeteilt und während ich in 3 Fächern Glück habe und immer mit Spaniern oder Skandinaviern zusammenarbeite, so besteht ein Tutorium von mir nur aus Chinesen. Ich bin der einzige Deutsche und war dementsprechend auch nicht der Publikumsliebling als es darum ging, Gruppen für Präsentationen zu bilden. Präsentationen sind hier ein wichtiger Bestandteil der Endnote und wer hätte es gedacht, meine Präsentationsgruppe besteht aus mir und 2 Chinesen, die bei der Gruppenwahl übrig geblieben sind. Während der eine auf mich einen ganz fitten Eindruck macht (er studiert hier schon im dritten Semester), versteht der andere hingegen kein (!) Wort Englisch. So gut es ging, sprach ich mit ihnen ab, dass wir bis Montag (gestern) alle unseren Teil der Präsentation fertig haben sollen, damit wir den Rest der Woche für das Feintuning nutzen können. Abgesehen von dem Fakt, dass man sofort den Gruppenleiter spielen muss, weil sonst nichts passiert, war ich schockiert, welche Arbeitsqualität mir dann von den beiden präsentiert wurde. Kurzum, ich kann die ganze Präsentation selber machen. Das was ich momentan nicht nur von den beiden, sondern auch von anderen Chinesen mitbekommen habe, ist, dass sie zu Aktionismus neigen (Hauptsache etwas tun) aber Effektivität und hohe Arbeitsqualität oftmals Mangelware sind. Die meisten zocken die ganzen Vorlesungen an ihrem iPad herum, weil sie nur Bruchteile von dem verstehen, was vorne geredet wird. Aber, und das betone ich auch, es gibt andererseits viele, die deutlich mehr machen, als wir Europäer und dem Bild entsprechen, was wohl die meisten Deutschen von den Asiaten haben.

So ging dann auch die Woche vorrüber und am Sonntag stand dann für mich ein besonders Event an. Unsere Uni hat zum ersten Mal das „Amazing Race“ für Singapur organisiert. Hierbei handelt es sich um ein Rennen quer durch die Stadt bei der man verschiedenste Aufgaben bewältigen und über die eigenen Grenzen gehen muss, um das Ziel zu erreichen. Gerade in den USA erfreut sich dies in vielen Städten besonderer Beliebtheit und hier in Singapur wurde es medientechnisch echt aufgebläht à sprich: Eine TV-Produktion aus der ein 40-minütiges Video erstellt wird. Der Preis für das Gewinnerteam (2 Personen-Teams) beträgt 1000Singapur Dollar (640€) und somit habe ich und auch ein paar andere aus unserer Gruppe, uns unverbindlich mit Video beworben. Was ich nicht im Ansatz gedacht hätte, ich wurde genommen und war einer der 10 Finalisten, die das Rennen dann am Sonntag bestreiteten.

Jedes Team wurde mit einem Kameramann, einem Tontechniker und einem Team-Coordinator ausgestattet. Mein zugeloster Partner war Jeppe, ein überaus symphatischer Däne mit dem ich schon zuvor das ein oder andere Bier in Singapur getrunken hatte. Lange Rede kurzer Sinn: Jedes Team hatte 5 verschiedene Aufgaben quer durch Singapur zu lösen, unsere Aufgaben bestanden aus: dem Hochhalten eines Ballähnlichen Federballs, dem Essen 5 warmer Behälter von „Soja-Bohnen-Öl-Creme“,   dem Finden bestimmter Plätze im Botanischen Garten, dem Finden bestimmter Personen in einer Mall, dem Fliegen im größten Windkanal der Welt und natürlich dem rechtzeitigen Erreichen des Ziels. Zwar hatten Jeppe und ich es geschafft, unter der vorgesehenen Zeit im Ziel anzukommen und jede Challenge zu meistern, trotzdem wurde unser Team nur Vierter. Wirklich traurig, war ich darüber aber nicht, denn der Tag war einfach nur überragend und man war froh alles geschafft zu haben. In 2 Wochen wird offizieller Ausstrahlungstermin der Show sein und dann kann sich auch jeder in Deutschland ein Bild von diesem abgefahrenen Tag machen. 

Anbei noch ein paar Bilder der letzten Tage!
Felix, Vishal und Ich an Halloween
Die ganze Meute an Halloween
Die Rückenansicht des letzten Samurais

Jeppe und ich vor dem Amazing Race

Alle Wettbewerber im Ziel

Unser Kamerateam, unsere Koordinatorin Kim, Jeppe und Ich